„Compact“?Verbot bedroht Pressefreiheit: Auf juristisch unsicherem Terrain
von Peter Helmes am 18. Juli 2024 Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat am Dienstag, 16.7.) zwei Unternehmen verboten, die hinter dem „Compact-Magazin“ stehen: die "Compact-Magazin GmbH" und die "Conspect Film GmbH". Sie begründet es damit, daß sich die Compact GmbH und die Produktionsfirma Conspect Film GmbH „gegen die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik Deutschland“ richteten. Es sei ein „zentrales Sprachrohr der rechtsextremistischen Szene“ Darüber hinaus, so Faeser, habe „Compact“ ein „Klima von Haß und Gewalt“ geschürt. Das Verbot untersagt jede Fortführung der bisherigen Tätigkeiten.
Als Rechtsgrundlage hat Faesers Ministerium das Vereinsrecht herangezogen. Ob das juristisch sicher ist, kann man durchaus bezweifeln. Nicht wenige werfen der Ministerin jetzt vor, sie würde die Pressefreiheit aushebeln. Viele Juristen bezweifeln die Verfassungsmäßigkeit des "Compact"-Verbots.
Benjamin Lück, Rechtsanwalt der Gesellschaft für Freiheitsrechte, sagte der Katholischen Nachrichten-Agentur am Mittwoch (17.7.), es sei „ein totaler Blick ins Ungewisse, wie die Gerichte entscheiden". Er gehe fest davon aus, daß die Betreiber rund um den Herausgeber Jürgen Elsässer sich juristisch gegen das Verbot zur Wehr setzten. Auch wenn die Inhalte des "Compact"-Magazins Lück zufolge "unerträglich, hetzerisch und dumm" seien, fielen sie zu einem Großteil unter den Schutz der Meinungs- und Pressefreiheit. (Quelle: rbb24.de)
Keine Frage, „Compact“ ist eine Publikation, die an die Grenzen des Tolerablen oder sogar darüber hinausgeht. Das Blatt – und die Redaktion – provozieren bewußt und absichtlich, behaupten aber, für „ehrlichen Journalismus in Zeiten der Lüge“ zu stehen. Das ist allzu dick aufgetragen und schlicht nicht wahr. (Die Compact-Magazin GmbH ist in zahlreichen sozialen Medien präsent und betreibt einen Online-Shop, über den neben eigenen Printerzeugnissen Bücher, Hörbücher, CDs und DVDs sowie Merchandise vertrieben werden.)
„Dieses Magazin hetzt auf unsägliche Weise gegen Jüdinnen und Juden, gegen Menschen mit Migrationsgeschichte und gegen unsere parlamentarische Demokratie“, begründete Faeser die Entscheidung. Ihr Verbot untersagt jede Fortführung der bisherigen Tätigkeiten, Verstöße dagegen sind Straftaten. Faeser weiter: „Unser Signal ist ganz klar: Wir lassen nicht zu, daß ethnisch definiert wird, wer zu Deutschland gehört und wer nicht. Unser Rechtsstaat schützt all diejenigen, die wegen ihres Glaubens, ihrer Herkunft, ihrer Hautfarbe oder auch wegen ihrer demokratischen Haltung angefeindet werden.“
Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen befürwortet die Entscheidung des Bundesinnenministeriums: „Compact ist Haß und Hetze in Hochglanz. Diese Plattform der Demokratiefeinde verfolgt ein Ziel und das ist die Zerstörung unserer freiheitlichen Gesellschaft. Rechtsextreme Verschwörungstheorien, Aufrufe zum Sturz der Demokratie und die permanente Verbreitung russischer Desinformationskampagnen sind die Eckpfeiler der täglichen Compact-Propaganda. Damit ist nun Schluß.“
(Stübgen ist seit dem 20. November 2019 Innenminister des Landes Brandenburg sowie erster stellvertretender Ministerpräsident im Kabinett Woidke III. Im Jahr 2024 ist er Vorsitzender der Innenministerkonferenz.)
Auch eine Reaktion der AfD ließ nicht lange auf sich warten.
Die Entscheidung von Nancy Faeser sei „ein schwerer Schlag gegen die Pressefreiheit“, sagten die Parteivorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla in einer gemeinsamen Erklärung. Ein Presseorgan zu verbieten, sei „eine Verweigerung von Diskurs und Meinungsvielfalt“. Faeser mißbrauche damit ihre Kompetenzen, „um kritische Berichterstattung zu unterdrücken“.
Brandenburgs AfD-Spitzenkandidat für die Landtagswahl, Hans-Christoph Berndt, mahnte: „Abweichende Meinungen werden unterdrückt, Medien verboten“. Wer kritische Medien verbiete, tue dies „nicht zum Schutz der Demokratie, sondern aus Angst vor der Demokratie“. „Die AfD Brandenburg steht weiter solidarisch zu ‚Compact‘“, sagte Berndt.
Ohne Zweifel, „Compact“ steht für Stimmungsmache gegen Migranten und verbreitet Verschwörungsmythen sowie prorussische Propaganda.
Der Tenor der Veröffentlichungen ist oft so hanebüchen, daß man ernste Zweifel haben kann, ob die Urheber der Inhalte wirklich noch mit Vernunft gesegnet und zurechnungsfähig sind. Auf einem Titelbild z.B. wurde kürzlich behauptet, daß „deutsche Generale den Angriff auf Russland planen“. Das ist nicht nur höchst übertrieben, sondern Unfug.
Viele stoßen sich vermutlich auch an der Nähe des „Compact“-Chefs Jürgen Elsässer zur AfD.
Unlängst zeigte sein Magazin den Thüringer AfD-Landesvorsitzenden Björn Höcke neben dem früheren US-Präsidenten Donald Trump mit der Schlagzeile „2024 Die Wende“.
Compact steht der AfD sehr nahe und verfügt über beste Kontakte zu extrem rechten Medien im Ausland.
Das alles ist schwer zu ertragen. Aber rechtfertigen die „Compact“-Positionen wirklich ein Verbot?
Die Innenministerin bewegt sich juristisch auf unsicherem Terrain. Für ihre Verbotsverfügung wendet sie das Vereinsrecht an, obwohl Presserecht in die Kompetenz der Länder fällt. Zudem kennen die Pressegesetze nach Einschätzung von Experten keine Grundlage für das Verbot ganzer Zeitungen. Jurist Lück sagte dazu, das Vereinsrecht passe nicht zu hundert Prozent auf Presseunternehmen: "Medien genießen einen besonderen grundrechtlichen Schutz.
Die Behörden haben das Magazin schon länger im Blick. Der Inlandsgeheimdienst hat bereits 2021 „Compact“ als erwiesen rechtsextremistische Bestrebung eingestuft. Für mögliche verfassungsfeindliche Beiträge kann aber nicht das ganze Magazin ohne weiteres in Mithaftung genommen werden. Eingriffe in die Meinungs- und Pressefreiheit wiegen ohnehin schwer und können allenfalls als Ultima Ratio gerechtfertigt sein. In den Verbotsgrundlagen im Vereinsgesetz findet sich keine Regelung, die sagt, daß ein Verein, der Presseerzeugnisse herausgibt, nur unter besonders hohen Voraussetzungen verboten werden darf. "Aber unerwünschte Meinungen einfach verbieten, das geht eben nicht.
Zum Verhängnis könnte für Faeser werden, wenn ein Gericht das Verbot wieder kassieren sollte. Ihrem Kampf gegen Rechtsextremismus hätte Faeser dann einen Bärendienst erwiesen. Für ihre politische Zukunft verhieße das nichts Gutes. FDP-Bundesvize Wolfgang Kubicki brachte schon ihren Rücktritt ins Spiel.
EINSPRUCH VON VERFASSUNGSRECHTLER RUPERT SCHOLZ
Der hochrenommierte Verfassungsjurist (Staatsrechtler) und ehem. Verteidigungsminister Rupert Scholz (CDU) kommentiert das Compact-Verbot sehr kritisch. Nach Scholz ist Faesers Vorgehen beim Verbot des Compact-Magazins ‚eindeutig verfassungswidrig‘!
Ich zitiere:
„Faeser überspannt den Bogen“:
Mit dem Verbot des Compact-Magazins könnte Innenministerin Nancy Faeser (SPD) den Bogen endgültig überspannt haben – rechtlich, aber auch, was die Reaktionen in der Öffentlichkeit betrifft. Denn selbst etliche linksliberale Publizisten äußern sich kritisch zu dem bisher in der Bundesrepublik beispiellosen Verbot eines Mediums, das noch nicht einmal auf ein Gerichtsurteil zurückgeht, sondern lediglich auf eine Exekutiventscheidung.
Dazu kommt: Die Verbotsverfügung wurde Gründer und Chefredakteur Jürgen Elsässer nicht einfach per Post geschickt, sondern morgens um 6 Uhr von einem Polizeikommando mit Sturmhauben an seiner Wohnungstür überreicht. Ein Pressefotograf war zur Stelle, der das vom Innenministerium offenbar gewünschte Foto von Elsässer im Bademantel schoß.
Das Compact-Magazin vertritt zweifellos rechtsradikale Positionen, und es ruft zum Sturz der Regierung auf.
Nur: Artikel 5 des Grundgesetzes schützt auch diese radikalen Ansichten. „Die Meinungsfreiheit genießt einen so hohen Verfassungsrang, daß sie nicht einfach durch eine Exekutiventscheidung ausgehebelt werden kann“, so der Verfassungsrechtler und frühere Bundesverteidigungsminister Rupert Scholz zu TE: „Verbieten läßt sich ein Medium höchstens, wenn es eine revolutionäre Position vertritt, also zum Sturz der bestehenden Ordnung mit Gewalt aufruft. Das allerdings müßte dann aber zu einem Strafverfahren führen.“
Davon, daß derzeit ein entsprechendes Strafverfahren gegen Compact läuft oder gar ein entsprechendes Gerichtsurteil existiert, ist nichts bekannt. Auch der „ethnische Volksbegriff“, den Compact bemüht – also die Unterscheidung von angestammten und eingebürgerten Deutschen – ist nach Ansicht des Verfassungsrechtlers „nicht verfassungswidrig“. Für Scholz gilt vielmehr: „Das Vorgehen von Faeser ist eindeutig verfassungswidrig.
Eine zweite wichtige Rechtsfrage wirft die Tatsache auf, daß ein Pressefotograph zur Stelle war, als das Polizeikommando morgens um 6 Uhr vor Elsässers Haus aufmarschierte. Offensichtlich hatte jemand den Termin durchgestochen – nach dem Urteil von Carsten Brennecke, Anwalt in der renommierten Kanzlei Höcker, eindeutig eine Straftat.
Bemerkenswert ist nicht nur, daß diese mutmaßliche Straftat vom Verantwortungsbereich der Ministerin ausging, die vorgibt, die Demokratie zu verteidigen. Zur Erinnerung: Es war auch Faeser, die noch als Generalsekretärin der hessischen SPD einen Artikel für die Publikation des vom Verfassungsschutz als linksextrem eingestuften VVN-BdA verfaßte.
Elsässer und Comapct haben die Möglichkeit, gegen das Verbot zu klagen – und angesichts früherer Urteile zur Meinungsfreiheit keine schlechten Aussichten, das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht zu gewinnen.
Allerspätestens dann müßte Faeser entlassen werden!"
Beitrag erschien zuerst auf www.freiwelt.net
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