Wem wird zuerst das Gas abgedreht? Der Industrie oder den Privathaushalten?

Je näher das Gas-Embargo gegen Russland heranrückt, desto deutlicher wird, wie sehr in Politik und Wirtschaft die Nerven blank liegen. Jetzt wird diskutiert, ob die Bürger zugunsten der Industrie aufs Heizen verzichten sollten.

Russland solle wirtschaftlich niedergerungen werden, so lautet der aufgezwungene kategorische Imperativ der westlichen Staaten als Antwort auf den Ukraine-Krieg. Andererseits zeigt sich, dass im Falle eines Gas-Boykotts gegen Russland viele Staaten mehr leiden würden als Russland selbst. Deutschland gehört zu den Ländern, die wirtschaftlich von günstigen Erdgaslieferungen abhängig sind. Die Alternative LNG (Flüssiggas) ist infrastrukturell noch nicht ausgebaut.

Also droht Deutschland eine Gas-Verknappung. Für die deutschen Privathaushalte bedeutet dies: teurer Strom (Gaskraftwerke) und teures Heizen. Im Winter könnten die Reserven ausgehen. Wir sitzen im Kalten.

Für die Industrie bedeutet dies: Drosselung der Produktion. Doch gerade für die Chemie-Industrie als Schlüsselindustrie (wegen der Herstellung wichtiger Substanzen für die anderen Industrien) wäre eine massive Reduzierung der Gaszufuhr katastrophal.

Der Aufsichtsratsvorsitzende des Energieversorgers E.ON, Karl-Ludwig Kley, fordert nach einem Bericht des »Manager Magazins«, dass die Politik im Ernstfall zunächst den Interessen der Industrie den Vorzug gegenüber den Interessen der Privathaushalte geben solle. Die Industrie sei das Rückgrat der Wirtschaft und dürfe nicht zusammenbrechen. Die Produktion müsse weiterlaufen.

Bislang sieht die Bundesnetzagentur einen Notfallplan vor, der zunächst nach und nach verschiedene Wirtschaftszweige belastet und erst zum Schluss die Privathaushalte.

Allein die Tatsache, dass solche Diskussionen geführt werden, zeigt, wie ernst die Lage ist. Wirtschaftsminister Robert Habeck warnte bereits vor einer Rezession im Falle eines Gasboykotts gegen Russland. Deutschland werde »buchstäblich ärmer«.

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