Merkel-Union hat Vertrauen der konservativen Wähler verspielt

Das Wahlergebnis war für die CDU/CSU ein Desaster. Dabei haben die Schwesternparteien besonders unter den kirchlich gebundenen, traditionell eingestellten Wählern stark an Rückhalt verloren. Doch von Einsicht spürt man wenig. Trotzig werden alle Grundsatzentscheidungen als richtig verteidigt.

Das Wahlergebnis war für die Unionsparteien vernichtend. Noch am Wahlabend hörte man eine grinsende, von den „Angie“-Jubelrufen aufgeputschte Merkel ihrer Fraktion zurufen: „Wir haben einen Auftrag, eine Regierung zu bilden. Gegen uns kann keine Regierung gebildet werden.“ Das war die Bilanz der DDR-Pastorstochter zum schlechtesten Wahlwert der Unionsparteien seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland. Noch vor wenigen Jahren wäre dies ein Grund zum Rücktritt gewesen. Die sich verzweifelt an ihren Thron klammernde Merkel aber wollte schon wenige Stunden nach ihrer Niederlage am liebsten zur gewohnten Kanzlerin-Tagesordnung übergehen. Ihre Grundsatzentscheidung zur Flüchtlingskrise verteidigte sie erneut als absolut richtig. Natürlich, ein paar Hausaufgaben hätte die CDU/CSU zu erledigen, hallte ein trotziges Zugeständnis an die lästigen Nörgler von der Basis hinterher. Einsicht klingt anders und vor allem nicht mit einem Personalpronomen im Plural. Doch das „ich“ im Zusammenhang mit einem Schuldeingeständnis würde die Unionschefin niemals zulassen. „Ich kann nicht erkennen, was wir jetzt anders machen müssen.“, behauptet sie bockig und pustet die Backen auf. Gewonnen ist gewonnen, basta. Demokratie ist eben auch, Kanzlerin zu bleiben, weil alle anderen Parteien noch schlechter abgeschnitten haben als die eigene.

Verluste im siebenstelligen Bereich


Dabei haben die Unionsparteien durchgängig in allen Wählerschichten, geordnet nach Alter und Beruf, verloren. Durchschnittlich sind dies 8-10 Prozent bei den 18jährigen bis hinauf zur 60plus-Generation. Insgesamt über 1,5 Millionen Bürger haben sich von den Unionsparteien abgewandt. Der weit überwiegende Teil lief zur FDP und zur AfD über. Doch kritisch beschäftigen werden sich damit höchstens die CDU-Wahlstrategen hinter verschlossenen Türen. Dabei kann man seit dem 24. September 2017 in konkreten Zahlen messen, wie hoch der Unmut der konservativen Wählerschaft mit ihrer ehemaligen Stammpartei ist. Laut der Bertelsmann-Studie „Pouläre Wahlen. Mobilisierung und Gegenmobilisierung der sozialen Milieus bei der Bundestagswahl 2017“ hat die CDU/CSU „in ihrem Kernmilieu der Bürgerlichen Mitte den höchsten Verlust aller Parteien in einem Einzel-Milieu erlitten (minus 14,6 Prozentpunkte).“ Dies sollte ein alarmierendes Ergebnis für Angela Merkels CDU sein, aber auch für die CSU, die in ihrem Stammland Bayern von den Wählern empfindlich abgestraft wurde.

Die bürgerliche Mitte hat Merkels „Partei der Mitte“ satt


Fast die Hälfte der Bürgerlichen Mitte, so heißt es in der Studie weiter, habe sich entweder für Die Linke oder für die AfD entschieden. Die These, dass Massen von arbeitslosen, ostdeutschen Männern zwischen 30 und 49 die AfD stark gemacht haben, wie einige Leitmedien in den letzten Wochen in ihrer Kommentarspalte gifteten, verliert durch die Analyse der Bertelsmann-Studie zum Teil an Substanz. Denn zweistellige Ergebnisse fuhr die junge, sich rechts der CSU verortende Partei vor allem in Bayern und Sachsen ein. Von beiden Ländern kann man nicht behaupten, dass es der Bevölkerung dort mehrheitlich wirtschaftlich schlecht geht. Das hohe Wahlergebnis der AfD zeigt besonders gut, wie scharf sich das traditionelle, bürgerliche und konservative Wählermilieu von der Gruppe der liberalen Intellektuellen, von den ökologischen Sozialisten und globalisierungsaffinen, urbanen Pragmatikern abgrenzt.


Merkels Politik hat das Land weltanschaulich zerklüftet


Man kann auch sagen, der argumentative Graben zwischen rechts und links war nie so tief wie heute. Er zieht sich durch die gesamte Republik, durch Büros und Kantinen, durch Kollegen- und Freundeskreise, er stört und zerstört Liebesbeziehungen, er entfremdet ganze Familien voneinander. Nur im Parlament, unter den Fraktionen von rechts bis links, ist nichts davon zu spüren. Dort herrscht gähnend langweilige Einmütigkeit in den Schicksalsfragen dieses Landes, eine Einhelligkeit, die angesichts der tiefen Gespaltenheit des zu weiten Teilen wütenden Souveräns umso unheimlicher wirkt. Aber auch das ist wahr: Seit der Flüchtlingskrise 2015 hat diese Republik eine beispiellose Politisierung ihrer Bürger erlebt. Und eine beispiellose Mobilisierung: 1,5 Millionen bisherige Nichtwähler warfen ihre Wahleinladung dieses Jahr nicht sofort in den Papierkorb, sondern ihr Votum in die Wahlurne. Das ist ein Anstieg der Wahlbeteiligung um 4,6 Prozent. Man muss nicht lange nach dem Grund suchen. Er sitzt zur Zeit als drittstärkste Fraktion im Bundestag.

In den Augen von Eltern kann es „Mutti“ nicht


Gerade in den christlich geprägten, konservativen, traditionell lebenden Kreisen sind die Wähler der Merkel-CDU in Scharen davon gelaufen. Es ist diese bürgerliche Schicht, die am häufigsten Kinder erziehen, in der die Kinderzahl pro Elternpaar überhaupt am höchsten ist. Diese Menschen sehen ihr Leben eben nicht nur als zeitliche Ressource absoluter Ich-Verwirklichung, sondern sie begreifen es im generativen Zusammenhang für einen Zeitraum von mindestens mehreren Jahrzehnten. Es sind Menschen, denen die Einhaltung von Recht und Gesetz besonders wichtig ist. Es sind Menschen, die aus Sorge um die Zukunft ihrer Kinder an langfristiger Stabilität und Sicherheit interessiert sein müssen. Was mögen diese Väter und Mütter denken über eine Kanzlerin, die ein – vorsichtig ausgedrückt – flexibles Verhältnis zum Grundgesetz besitzt, über eine Kanzlerin, bei der man nie sicher sein kann, welche Halbwertzeit ihre stets als „grundsätzlich“ ausgegebene Haltung hat – Jahre oder nur Tage? Was müssen sie für einen Eindruck bekommen, wenn ihre Stammpartei, die jahrzehntelang den Wert häuslicher Erziehung verteidigt hat, plötzlich Müttern das Erziehungsgeld streicht und ihnen stattdessen staatliche Kleinkindbetreuung nach sozialistischem Muster als „modernes“ Nonplusultra aufzwingt? Und was halten konservative, konfessionsgebundene, verheiratete Eltern von sich „christdemokratisch“ nennenden Politikern, die widerspruchsfrei grüne Gender-Pädagogen dulden, die Kindern in Kitas und Schulen die Pseudowissenschaft der sogenannten sexuellen Vielfalt nahe zu bringen suchen?

Christen sehen in der CDU/ CSU keine Heimat mehr


Unter Kirchenmitgliedern haben die Unionsparteien herbe Verluste eingefahren. 8 Prozent der katholisch und sogar 9 Prozent der evangelisch gebundenen Christen sind als Wähler der CDU/CSU von Bord gegangen. Dies stellt nach einem Medienbericht der Zeitschrift Idea eine Wahltagsbefragung der Forschungsgruppe Wahlen fest. Viel zu dieser inneren Abkehr dürfte der 26. Juni 2017, fast exakt drei Monate vor der Bundestagswahl, beigetragen haben. Da verkündete Angela Merkel, das Parlament über die Zukunft der grundgesetzlich geschützten Ehe abstimmen lassen zu wollen. Mit anderen Worten: Über eine Frage von großer gesellschaftlicher Symbolkraft, dem eine jahrzehntelange Debatte bis selbst zum Bundesverfassungsgericht vorausgegangen war, entschied Frau Merkel binnen Sekunden in einer Talkshow der Zeitschrift „Brigitte“ aus der Verlagsgruppe ihrer Freundin Liz Mohn. Die große Auseinandersetzung, die sich zwischen Grünen, Linken und den Unionsparteien hätte anschließen müssen, blieb aus, der Bundestag gab die „Ehe für alle“ frei. Frau Merkel kennt ihren Arbeitsplatz eben am besten.

Wenn nichts mehr da ist, kann auch nichts mehr verkauft werden


Aussetzung der Wehrpflicht, der Umbau der EU zu einer Haftungsunion, Energieerzeugung nach planwirtschaftlichem Prinzip, eine durchgegenderte öffentliche Verwaltung und Bildungspolitik, Einführung der Ehe für alle, Krippenausbau mit Zielmarke 100 Prozent Betreuungsquote und gleichzeitig faktischer Erwerbszwang für Mütter – es verschlägt einem dem Atem, wie es Angela Merkel innerhalb weniger Jahre geschafft hat, den Setzkasten christdemokratischer Politik innerhalb weniger Jahre komplett auszutauschen. Die CDU hat ihr christliches, marktwirtschaftlich geprägtes politisches Herzstück der Beliebigkeit preisgegeben. Ein gutes Produkt braucht jedoch einen unverwechselbaren Kern, um langfristig Kunden zu binden. Das gilt für jede gute Automarke ebenso wie für Parteien. So ergeht es den ehemals großen Volksparteien nach ihrem politischen Räumungsverkauf wie dem DDR-Konsumgeschäft: Als die Schaufenster-Auslagen in der sozialistischen Mangelwirtschaft leer blieben, hängte man Propaganda-Plakate hinein.

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