Massenmigration: Afghanistan ist ein Fass ohne Boden

Die Aussicht auf dauerhaften Frieden in Afghanistan ist gering. Die ethnische Vielfalt und das Konfliktpotenzial im Land sind enorm. Trotz aller Kriege wächst die Bevölkerung schnell. Das Land durch Teil-Migration nach Europa zu retten, ist vollkommen illusorisch.

Wer sind überhaupt die »Afghanen«? Tatsache ist, dass dieser Begriff ursprünglich für die sunnitische Bevölkerungsgruppe der Paschtunen verwendet wurde, welche Hauptsächlich im Süden des Landes leben. Diese machen circa 40-42 Prozent der Bevölkerung des Landes aus. Die restlichen 60 Prozent der Menschen in Afghanistan gehören anderen ethnischen Gruppen an. Über 25-27 Prozent sind persischsprachige Tadschiken, die Hauptsächlich im Norden leben. 9-10 Prozent sind turksprachige Usbeken. Ebenso groß ist die Gruppe der persischsprachigen Hazara, die zudem mehrheitlich Schiiten sind.
Die Paschtunen stellen den Großteil der Taliban

Die Taliban-Bewegung speist sich größtenteils aus der Bevölkerungsgruppe der Paschtunen. Sie sind sunnitisch und somit traditionelle Gegner der schiitischen Hazara. Es ist immer wieder zu Massakern der Taliban an Hazara gekommen.

Paschtunen leben nicht nur in Afghanistan. Rund 25 Millionen von ihnen leben auf der anderen Seite der Grenze in Belutschistan (West-Pakistan). Früher waren große Teile der Paschtunen nomadisch. Sie passierten die von den Briten künstlich gezogenen Grenzen. Das tun sie teilweise heute noch. Die Paschtunen in Afghanistan haben in Pakistan ihre (für den Westen) unerreichbaren Rückzugsgebiete, von denen aus die jeden Widerstand gegen Besetzer Afghanistans (UdSSR, NATO) organisieren konnten.
Rückzugsgebiete in den Bergen: Nuristan

Im Osten Afghanistans liegen die Hochgebirgsregionen. Auch hier, ebenfalls an der Grenze zu Pakistan, liegt die Region Nuristan. Die Bewohner dieser Region hingen noch lange Zeit ihrem autochthonen Volksglauben an und wurden erst in jüngerer Vergangenheit zwangsislamisiert.

Die Region ist so unwirtlich und die Täler dort so zerklüftet, dass sie immer wieder als Rückzugsgebiet für Mudschaheddin und Islamisten diente. Auch Al-Qaida und der Islamische Staat konnten sich dort zeitweise festsetzen. Sowohl für die Sowjets als auch für die US-Amerikaner war diese Region schwer zu kontrollieren.
Clan-Chefs, Stammesfürsten und Drogenhandel

In vielen abgelegenen Gebieten Afghanistans wird (Schlaf-)Mohn für die Herstellung von Drogen abgebaut. Ein Großteil des weltweit verkaufen Heroins stammt ursprünglich aus Afghanistan. Clan-Chefs, Taliban, Terrorgruppen, Stammesfürsten, War Lords und andere problematische Gruppen beziehen heimliches Einkommen aus dem Drogenhandel. Die USA haben in einigen Regionen den Anbau von Mohn geduldet.

Diese Einkommensquellen sind hoch umkämpft und immer wieder Anlass für Auseinandersetzungen zwischen unterschiedlichen Gruppen.
Das Leben in Kabul entspricht nicht dem Leben auf dem Lande

Kabul und die wenigen anderen großen Städte des Landes sind nicht repräsentativ für die Gesamtbevölkerung. Westliche Journalisten hielten sich zumeist in Kabul auf und interviewten in der Regel städtisch-modernes Publikum.

So entstand im Westen der Eindruck, dass ein großer Teil der Afghanen den Wunsch nach westlichem Lebensstil habe. Doch auf dem Lande und in den Provinzen sieht die Lage ganz anders aus. Ein großer Teil der Bevölkerung unterstützt die Taliban und deren Moralvorstellungen.

Um so größer war die Überraschung im Westen, dass die Taliban am Ende das Land und die Hauptstadt mit wenig Widerstand einnehmen konnten.
Trotz Kriege: Afghanistans Bevölkerung wächst rasant

Trotz der Kriege wächst Afghanistans Bevölkerung kontinuierlich und rasant. Um 1990 hatte das Land noch circa 12 Millionen Einwohner. Heute sind es etwa 39 Millionen! Die Geburtenrate pro Frau liegt nach UN-Angaben bei etwa 5,25. Das ist die höchste in ganz Asien. Die Bevölkerung ist jung und hat kaum Aussichten auf zukunftssichere Einkommensquellen.

Würde man die Situation in Afghanistan durch Migration bessern wollen, würde man ein Fass ohne Boden öffnen.

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