Auch die Bundeskanzlerin steht nicht über dem Gesetz

Die Öffnung der Grenzen verstieß gegen das Dubliner Abkommen. Der Kontrollverlust über die Grenzen verstieß gegen die Verfassung. Angela Merkel hat weitreichende Alleingänge zu verantworten.

Was zählen Verträge, wenn sie nicht eingehalten werden? Wozu tagt der Bundestag, wenn er bei wichtigen Entscheidungen nicht konsultiert wird? Und wo bleibt die Verantwortung gegenüber der Zivilgesellschaft, wenn die Öffentlichkeit nicht in die politischen Entscheidungsprozesse miteinbezogen wird?


„Grundgesetz setzt die Beherrschbarkeit der Staatsgrenzen voraus“


Im Januar hatte er Schlagzeilen gemacht: Der ehemalige Verfassungsrichter Udo di Fabio warf der Bundesregierung einen historischen Verfassungsbruch vor. In einem Gutachten hatte er bestätigt, dass die Politik der Bundeskanzlerin und Bundesregierung der offenen Grenzen und der grenzenlosen Zuwanderung verfassungsrechtlich bedenklich und angreifbar sei. Der Bund sei dazu verpflichtet, die Grenzen der Bundesrepublik zu schützen und die Grenzkontrollen wieder aufzunehmen, da das europäische Grenzsicherungs- und Einwanderungssystem nicht funktioniere. Di Fabio bezeichnete die Migrationskrise als föderales Verfassungsproblem. Es wurde in dem Gutachten ausdrücklich festgestellt: „Das Grundgesetz setzt die Beherrschbarkeit der Staatsgrenzen und die Kontrolle über die auf dem Staatsgebiet befindlichen Personen voraus.“ Weiterhin heißt es dort, das Grundgesetz garantiere „nicht den Schutz aller Menschen weltweit durch faktische oder rechtliche Einreiseerlaubnis.“ Der Bund dürfe entsprechende Verpflichtungen demnach auch nicht eingehen, heißt es weiter.


„Der Staat, in den der Asylbewerber nachweislich zuerst eingereist ist, muss das Asylverfahren durchführen“


Ein weiteres Problem ist das Dubliner Abkommen. Auf Wikipedia wird das Dubliner Abkommen wie folgt zusammengefasst: „Das Dubliner Übereinkommen (DÜ) ist ein völkerrechtlicher Vertrag über die Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft gestellten Asylantrages. Das entsprechende Asylverfahren wird auch als Dublin-Verfahren bezeichnet. Wichtigste Regel für die Zuständigkeit: Der Staat, in den der Asylbewerber nachweislich zuerst eingereist ist, muss das Asylverfahren durchführen. Das Dubliner Übereinkommen wurde am 15. Juni 1990 von den damals zwölf EG-Mitgliedstaaten unterzeichnet. Es trat am 1. September 1997 in Kraft.“


Demnach müssten die Grenzstaaten für die Asylverfahren sorgen. Da Deutschland von sicheren Drittstaaten umgeben ist, gäbe es keine Gründe, durch viele sichere Staaten nach Deutschland zu ziehen. Es ist auch nicht möglich, sich das Flüchtling oder Asylbewerber das Land seiner Einreisewünsche frei auszusuchen, es sei denn er ist legaler Einwanderer und kein Flüchtling.


Doch die Bundesregierung hatte das Dublin-Verfahren einfach ausgesetzt. Wenn man Abkommen einfach so aussetzen kann, wozu hat man zuvor diese Abkommen überhaupt geschlossen? Rechtlich korrekt wäre es gewesen, mit den anderen EU-Staaten zuvor ein neues Abkommen auszuhandeln. Doch das wurde nicht gemacht. Merkel hat sich über das Abkommen hinweggesetzt.


Das massive Problem, dass sich in der Politik von Angela Merkel immer wieder auftut, ist die Bevorzugung kurzer Entscheidungswege. Das mag im Militär oder bei der Polizei gerechtfertigt sein, wenn es sich um einen Ernstfall-Einsatz handelt. Doch in der Politik mit ihren langfristig weitreichenden Entscheidungen ist es wichtig, das Parlament, die Öffentlichkeit und gegebenenfalls auch die anderen EU-Regierungen in die Entscheidungen miteinzubeziehen.


Die Öffentlichkeit hat ein Recht auf Aufklärung


Bis heute weiß niemand um den konkreten Hintergrund, den konkreten Anlass. Angela Merkel hatte mit ihrer Entscheidung im letzten Herbst ihre eigene Politik der letzten Jahre und ihre eigene Meinung der letzten 20 Jahre vollkommen über Bord geworfen. All die Jahre war Merkel bekannt dafür, eine strenge Haltung bezüglich der Einwanderungspolitik zu haben. Doch im letzten Herbst hatte sie ihre Meinung geändert. Es war so plötzlich, dass einige Beobachter schon geglaubt hatten ihr Gespräch mit dem Flüchtlingskind Reem hätte sie zum Umdenken bewegt. Damals hatte die Bundeskanzlerin noch hart verkündet, dass Deutschland nicht alle Flüchtlinge des Nahen Ostens aufnehmen könnte.


Auf Gerüchte, dass die Änderung der deutschen Asylpolitik mit strategischen Veränderungen in Syrien zu tun hatte, weil man im letzten Sommer glaubte, Assad schnell loswerden zu können und versuchte, ihm das Rekrutierungspotential durch massive Abwanderung zu entziehen, ist die Bundeskanzlerin noch nicht eingegangen. Und das obwohl Wikileaks über Hinweise auf „Strategic depopulation“ in Syrien berichtete. Hier hätte man eine Klarstellung der Bundesregierung erwartet. Doch das Thema wurde totgeschwiegen.


Fazit: Die Alleingänge der Bundeskanzlerin bedürfen einer Aufklärung. Die Bevölkerung hat ein Anrecht darauf, zu erfahren, was die konkreten Anlässe waren und warum europäische Abkommen und gängige Sicherheitsbestimmungen außer Kraft gesetzt wurden.

 

Dieser Beitrag erschien zuerst auf freiewelt.net